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Die Kantonsschülerverbindung Industria Aarau ist eine Mittelschul-Schülerverbindung an der Alten Kantonsschule Aarau im Kanton Aargau. Offiziell wurde sie 1859 durch den Zusammenschluss eines wissenschaftlichen Kränzchens und der Zähringia Bern gegründet. Vereinszweck ist die Förderung der Wissenschaft und der Freundschaft. Weiter soll die Ausbildung an der Kantonsschule durch gesellige Anlässe und andere Aktivitäten sinnvoll ergänzen werden. Herausragendste Mitglieder waren u.a. Frank Wedekind und Rudolf Zurlinden.

Geschichte[]

Mitte des 19. Jahrhunderts bestand an der Alten Kantonsschule Aarau eine grosse Nachfrage nach einem wissenschaftlichen Verein, in dem sich die Schüler in angenehmer Atmosphäre mit Gleichaltrigen über das Erlernte diskutieren können. Der Schüler Friedrich Mühlberg versuchte zusammen mit seinem Schulfreund J. Lehrmann dieser Nachfrage mit der Gründung eines wissenschaftlichen Kränzchens nachzukommen. Der Verein hatte zu Beginn wenig mit dem heutigen Auftreten als Studentenverbindung zu tun. Dies änderte sich, als die Studentenverbindung Zähringia Bernensis aus Bern Interesse an einem Zusammenschluss mit dem wissenschaftlichen Kränzchen bekundete. Bis heute gilt die Fahrt nach Olten am 3. Juli 1859 als Geburtsstunde der Industria Aarau. An diesem Tag traffen sich in Olten Vertreter aus Aarau und Bern und einigten sich auf einen Zusammenschluss. Das Kränzchen nannte sich fortan Industria Sektion Aarau. Als Vereinsfarben wählte man Weiss, Rot und Grün. Damit wurde die Industria die fünfte Schülerverbindung an der Alten Kantonsschule Aarau.

Wenige Jahre nach der Gründung, wurde die Industria Aarau im Jahre 1864 auf Beschluss der Lehrerversammlung verboten und zwangsweise aufgelöst. Begründet wurde dies damit, dass aus den Statuten, welche beim Rektorat abgeliefert wurden, kein Vereinszeck zu entnehmen war. Ausserdem wurde der Industria vorgeworfen, mit Hochschulverbindungen in Verbindung zu sein. Im Geheimen bestand die Verbindung weiterhin und schon wenige Jahre später, im Jahre 1868 wurde eine Neugründung unter gewissen Auflagen vollzogen, welche dann auch durch die Lehrerversammlung anerkannt wurde. Nach 20-jährigem Bestehen wurde das Jubiläum am historischen Gründungsort in Olten gefeiert.

Die Mitgliederzahlen stiegen aufgrund der Popularität von Schülervereinen in der Zeit der Jahrhundertwende stetig an und erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1908 als die Aktivitas einen Bestand von 14 Mitgliedern verzeichnete . Die Industria etablierte sich an der Alten Kantonsschule Aarau als "Landbubenverbindung". Diese Bezeichnung kommt daher, dass die Mitglieder häufig aus der ländlichen Mittelschicht (Fricktal, Seetal, Suhrental etc.) stammten, im Gegensatz zu anderen Verbindungen wie z.B. die Aargovia Aarau, welche besonders bei Schülern aus der Aarauer Oberschicht beliebt war. Diesen Ruf wird der Industria noch heute nachgesagt. Wichtige Statutenänderung zu dieser Zeit ist die Abschaffung des Trinkzwangs, welche jedoch nur von kurzer Dauer war und nach heftigen Diskussionen 1912 wieder eingeführt wurde.

Während der beiden Weltkriege und in der Zwischenkriegszeit stiegen die Mitgliederzahlen noch einmal kräftig an, da durch die Verbindung das Gefühl der Zusammengehörigkeit gestärkt wurde. Während des 2. Weltkriegs stemmte sich die Verbindung gegen nationalsozialistische Strömungen und viele Mitglieder meldeten sich freiwillig zu Unterstützungsdiensten für die Landesverteidigung (Ortswehren, Landdienst u.a.). Aufgrund der bereits grossen Auslastung der Mitglieder durch die bestehende Vereinstätigkeit lehnte der Verein den Anschluss an ein Kartell stets ab. Diese Unabhängigkeit von einem Kartell währt bis heute. Das 85-Jahre Jubiläum wurde aufgrund des Krieges um ein Jahr verschoben und wurde wie die darauf folgenden Jubiläen in Aarau gefeiert.

Die Nachkriegszeit und der damit verbundene gesellschaftliche Wandel stellte die Verbindung vor grosse Probleme. Die Frage nach der Existenzberechtigung spiegelte sich in den Mitgliederzahlen wieder, welche kontinuierlich bis in die 1990er Jahre sanken und ihren Tiefpunkt während mehrerer Diktaturen, der Vereinigung aller Ämter auf einer Person bei zu wenig Mitgliedern, und Reaktivierung von Jungaltherren fand. Trotzdem konnte im Jahre 1959 anlässlich des 100 Jahr Jubiläums die 3. Vereinsfahne eingeweiht werden. Die heutige Vereinsfahne wurde 1994 eingeweiht. Ende der 60er Jahre konnte zudem zum ersten Mal die Vereinsgeschichte abgedruckt werden. Sie wurde vom heutigen Schriftsteller und Mitglied der Industria Aarau, Dr. Karl Gautschi verfasst. Die 1980er Jahre standen ganz im Zeichen des 125 Jahr Jubiläums, sowie der bis heute letzten Statuten und Commentrevision.

Mit dem Sprung ins 21. Jh. kamen einige Neuerungen mit welchen die Verbindung Pionierarbeit leistete. Als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte, programmierten einige Altherren im Jahre 1998 die erste, eigene Website, welche bis heute als Schnittstelle zwischen Altherrenverband und Aktivitas, sowie der umfangreichen Sammlung von Verbindungsdaten (z.B., Adressverzeichnis und Fotos) dient. Um den zahlreichen Neuankömmlingen an der Kantonsschule Aarau den Einstieg in das Kantileben zu erleichtern, wird seit 2001 ein Erstklässlertag mit Rundgängen für die neuen Schüler durchgeführt. Als besonderes Highlight gilt der "Kanti-Kompass", eine Broschüre für die Erstklässler, in welcher wichtige Infos zum Schulalltag, sowie Tipps und Tricks für den neuen Lebensabschnitt an der Alten Kantonsschule Aarau zu finden sind. Im Jahre 2002 fand ein Podiumsgespräch über den Weiterbestand und Zukunft der Mittelschulverbindungen in Aarau mit dem Rektorat der Schule, sowie Vertretern der Altherrenverbänden der vier verbliebenenVerbindungen statt. All diese Massnahmen blieben nicht erfolglos. Nach der Durststrecke in den 90er Jahren stieg die Mitgliederzahl wieder markant an und erreichte einen neuen Höhepunkt am 150-Jahr Jubiläum im Jahre 2009 mit 14 Aktiven.

Organisation[]

Die Schülerverbindung Industria Aarau besteht als solches aus 2 separaten Vereinen: Der Aktivitas, mit den aktiven Mitgliedern, welche noch die Mittelschule besuchen, und dem Altherren-Verband, welcher aus ehemaligen Aktiven besteht. Beide Vereine haben einen separaten Vorstand, der sich jedoch aus gleichen Ämtern zusammensetzt: Dem Präsidenten (X), dem Quästor (XX) und dem Aktuar (XXX). Der Quästor, als Kassier und Vizepräsident, sowie der Aktuar, dem die Ablage und Administration der Aktivitas obliegt, unterstützen den Präsident bei seiner Aufgabe die Aktiven erfolgreich durch das Jahr zu führen. Beispielsweise plant und organisiert er Anlässe, beruft Sitzungen ein und trifft sich mit der Schulleitung zum Austausch. Die Aktivitas hat einen Fuxenmajor (FM), dem die Erziehung der Fuxen zu Burschen obliegt. Der Altherrenvorstand besteht zusätzlich zu den drei vorgenannten Ämtern aus mehreren Beisitzern, die verschiedene Aufgaben wahrnehmen.

Rechtlich sind beide Vereine einander gleichgestellt, doch aufgrund der finanziellen Unterstützung und des Alters der Mitglieder ist die Aktivitas de facto dem Altherrenverband unterstellt, obwohl der Altherrenverband jünger ist, als der Aktivenverein.

Für das Tagesgeschäft stützt sich die Verbindung einerseits auf die Verbindungsstatuten, welche das Vereinsleben und die Anlässe regeln, und andererseits auf den Biercomment, welcher das Verhalten während dem Tragen von Verbindungsfarben und an Anlässen regelt. Als zusätzliches Informationsorgan ist das Semesterblättchen zu erwähnen, welches halbjährlich über die Neuigkeiten, Anregungen oder Änderungen der beiden Vereine informiert.

Wichtige Anlässe[]

Traditionsanlässe gemäss Statuten[]

  • Actus Secundus: Der Actus findet heute auf dem Goffersberg bei Lenzburg statt. Bei diesem Grillfest sorgen die Fuxen für das kulinarische Wohl der Burschen Actus Secundus wurde früher das gesellige Beisammensein nach einem wissenschaftlichen Referat bezeichnet.
  • Säckinger Farbenbummel: Eine Wanderung von Aarau nach Bad Säckingen, welche gemäss der Tradition um 4 Uhr morgens beginnt. Die Strecke wird mit Gesang zu Fuss zurückgelegt.
  • Weichnachtscommers: Das feierliche Weihnachtsfest in Commersform in Aarau, welches bei Speis und Trank im Kerzenschein ausgetragen wird.
  • Altherrentag: Alljährliche Generalversammlung des Altherrenverbandes, an welchem festlich gespiesen wird, sowie in einem geselligen Teil, an einer kulturellen Veranstaltung, wie z.B. einer Führung teilgenommen wird.

Weitere wichtige Anlässe[]

  • Maienzug: Grösstes, jährliches Stadtfest der Stadt Aarau mit Umzug durch die Stadt in die Telli, wo sich die Bevölkerung zu den Reden der Regierungs- und Stadträte versammelt. Die Aktivitas nimmt selbsta auch am Umzug teil um im darauf folgendem Commers ihre Fuxenzeitung versteigern zu können.
  • Würenlinger: Metzgete (Blut und Leberwurst) im Restaurant Sternen in Würenlingen, AG. Er fand erstmals 1956 statt. Es ist ein sehr geselliger Anlass, mit einer grossen Weindegustation zu Beginn, sowie einer grossen Produktion seitens der Aktivitas. Der Anlass wird seit je her, vom Badener Stamm organisisert und durchgeführt.

Teilnahme an anderen Festen[]

  • 700 Jahre Schweizerische Eidgenossenschaft, Aarau (1991)
  • AargGrandissimo, Aarau (1998)
  • 200 Alte Kantonsschule Aarau (2002)
  • Eidgenössisches Jodlerfest, Aarau (2005)

An all diesen Festen war Industria Aarau mit einer Verbindungsbeiz vertreten und wurde von vielen Seiten für die Gastfreundlichkeit der Gaststätte gelobt.

Stammlokale[]

Die Stammlokale sind Restaurant oder Bars in welchen die Verbindung sich unter der Woche jeweils zu einem Bier trifft. In ihrem langjährigen Bestehen hatte die Industria viele Stammlokale in Aarau. Viele davon sind heute nicht mehr existent, darunter der Ryniker (heute Spaghetti Factory), den Goldenen Ochsen (heute Aarau Info), die Brauerei Holzach (heute Neue Aargauer Bank), das Café Bank (heute Ye Old Penny Farthing Pub) oder zuletzt den Affenkasten (heute Thalia Buchhandlung). Heute befindet sich das Stammlokal im Restaurant Frohsinn.

Bekannte Mitglieder[]

  • Friedrich Mühlberg (Gründer)
  • Arnold Keller, Generalstabschef der Schweizer Armee 1890-1905
  • Rudolf Zurlinden, Zementfabrikant
  • Frank Wedekind, Dichter und Autor
  • Albert Ursprung, Mäzen
  • Kurt Kim, Regierungsrat (FDP) Aargau 1949 - 1968
  • Victor Rickenbach, Regierunsrat (FDP) Aargau 1985 - 1993
  • Alfred Wyser, Regierungsrat, Solothurn
  • Karl Gautschi, Schriftsteller
  • Silvio Bircher, Regierungsrat (SP) Aargau, 1993 - 1997
  • Beat Meyerstein, Inhaber StüzliWösch Waschstrassen

Albert Einstein wird nachgesagt, engen Kontakt zur Verbindung gepflegt zu haben, was allerdings nicht bestätigt ist.

Literatur[]

Weblinks[]

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