Islamisierung Deutschlands

Der Begriff „Islamisierung Deutschlands“ postuliert eine Islamisierung in Form von wachsendem Einfluss des Islam etwa auf Kultur, Sprache, Bildung und Justiz der Bundesrepublik Deutschland. Als politisches Schlagwort wird der Begriff vor allem im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in Deutschland ab 2015 gebraucht und von den Medien aufgegriffen.

Begriffsgeschichte

Der Terminus „Islamisierung Deutschlands“ wird seit Beginn des 21. Jahrhunderts verwendet. So warnte Edmund Stoiber 2006 vor einer schleichenden Islamisierung Deutschlands. Vor allem im Zuge der Flüchtlingskrise in Deutschland ab 2015 wird dieses Schlagwort unter anderem von rechtspopulistischen Bewegungen wie zum Beispiel der Pegida oder der Alternative für Deutschland zunehmend verwendet und in den Medien verbreitet.

Das französische Pendant zur „Islamisierung Deutschlands“ ist der Grand remplacement.

Verwendung des Begriffs

In der Auseinandersetzung im Umgang mit Muslimen in Deutschland und der Zuwanderung muslimischer Migranten nach Deutschland taucht öfters die Befürchtung auf, die islamische Kultur und Religion würden die deutsche Gesellschaft unterwandern und Deutschland dadurch (in einer unerwünschten Weise) verändern – eine „Islamisierung“ Deutschlands. Befürchtet wird mit der Zuwanderung muslimischer Menschen beispielsweise auch ein Zuwachs islamistischen Terrors in Deutschland. Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal meint dazu, Muslime hätten mehr Angst vor dem Islamismus als die Menschen im Westen. Ein weiteres Argument in diesem Zusammenhang ist demographischer Natur: Die Geburtenraten muslimischer Familien lägen deutlich höher als der deutsche Durchschnitt, auch dadurch werde der Anteil der Muslime an der deutschen Bevölkerung überproportional steigen. Zudem werde für eine „Islamisierung Deutschlands“ die seit dem Zweiten Weltkrieg vorherrschende Toleranz Deutschlands ausgenutzt. So hätten algerische Islamisten zur Zeit des algerischen Bürgerkriegs in Deutschland als politische Flüchtlinge Unterschlupf gefunden. Als Indikatoren einer bereits angelaufenen „Islamisierung Deutschlands“ werden zum Beispiel öffentliche Koranverteilungen, die Bürger „merkwürdig“ finden, der Anstieg antisemitischer Straftaten durch Muslime oder auch die Gründung der „KT Bank“ genannt. Mitunter weist die Rede von der „Islamisierung Deutschlands“ Merkmale einer Verschwörungstheorie auf. So dürfe man den Islam nicht kritisieren (siehe auch Lügenpresse).

Am 2. Mai 2016 berichtete das Meinungs- und Debattenmagazin The European, die Türkei habe „1000 staatlich bezahlte Prediger nach Deutschland geschickt“, ihr Präsident Recep Tayyip Erdoğan investiere „in die offene Islamisierung Deutschlands“.

Faktenlage

Der Islam hat sich in Deutschland seit dem Ende des 20. Jahrhunderts als zweitgrößte Religion nach dem Christentum etabliert. Schätzungen zufolge leben zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Bürger muslimischen Glaubens in Deutschland, von denen ungefähr 7900 der salafistischen Szene zuzurechnen sind. Im Jahr 2012 lag die Zahl der deutschen Salafisten noch bei 4500, ist seitdem also um ca. 75 % gestiegen. Schätzungen, in welchem Maße sich der Anteil an der deutschen Bevölkerung durch den Flüchtlingszustrom vergrößert, gehen dabei merklich auseinander. So sagt das Pew Research Center in Washington für Deutschland einen Anstieg auf 5,5 Millionen Muslime bis zum Jahr 2030 voraus, das wäre ein geringerer Anteil der Gesamtbevölkerung als heute in Frankreich (7,5 %). Im Gegensatz dazu rechnet beispielsweise Uwe Brandl unter Einbeziehung eines möglichen Nachzugs von drei Familienmitgliedern pro Migrant mit 20 Millionen Menschen muslimischen Hintergrunds bereits im Jahr 2020. Tatsächlich erlebten islamische Gemeinden in Deutschland 2015 erheblichen Zuwachs: Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, spricht von „Moscheegemeinden, die sich wegen der Flüchtlinge innerhalb eines Monats verdoppelt haben“. Seines Erachtens werden 80 % der Flüchtlinge Muslime sein. 73,1 % der Menschen, die im Jahr 2015 in Deutschland einen Asylantrag stellten, gehören dem islamischen Glauben an. Saudi-Arabien bot daraufhin an, für syrische Flüchtlinge in Deutschland 200 Moscheen zu bauen.

Einer im Januar 2015 veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge orientieren die Muslime in Deutschland sich stark an westlichen Werten, auch wenn die Mehrheitsbevölkerung dies kaum wahrnehme. 90 % der hochreligiösen Muslime hielten die Demokratie für eine gute Regierungsform. Dennoch brächten die Deutschen dem Islam zunehmend Ablehnung entgegen, 57 % der nicht-muslimischen Bundesbürger empfänden den Islam als Bedrohung, im Jahr 2012 seien es noch 53 % gewesen. Nun fühlten sich 40 % der Befragten durch Muslime wie Fremde im eigenen Land. Die Angst ist zudem am stärksten dort, wo die wenigsten Muslime leben. In Nordrhein-Westfalen, wo ein Drittel von ihnen wohnt, fühlen sich 46 % Prozent der Bürger bedroht – in Thüringen und Sachsen, wo kaum Muslime leben, hingegen 70 %. Obwohl mit 85 % eine große Mehrheit der Deutschen behaupte, anderen Religionen gegenüber sehr tolerant zu sein, scheine dies nicht für den Islam zu gelten.

Muslimische Familien in Deutschland sind im Durchschnitt kinderreicher sind als nichtmuslimische: Die Geburtenrate in Deutschland lag zwischen 2006 und 2008 im Schnitt bei 1,3 Kindern pro Frau, türkische Frauen bekamen durchschnittlich 1,8 Kinder und afrikanische Frauen, darunter ebenfalls viele Musliminnen, sogar 2,6. Allerdings nehmen auch bei Türkinnen die Geburtenraten ab.

Kritik

Von einer „Islamisierung Deutschlands“ zu sprechen, wird von unterschiedlichen Seiten entschieden kritisiert. Nikolas Busse meint in der FAZ, dass eine Minderheit von ungefähr 5 % Muslimen die restlichen 95 % der deutschen Bevölkerung dominiere, wäre allenfalls in einer Diktatur vorstellbar. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wies dementsprechend Behauptungen einer angeblichen Islamisierung Deutschlands als unbegründet zurück: „Wir haben eine stabile Demokratie und eine freie Gesellschaft. […] Staat und Religion sind getrennt. Wie sollten Muslime, die eine Minderheit darstellen, unsere Gesellschaft islamisieren?“. Der private Nachrichtensender n-tv nennt die „Islamisierung Deutschlands“ eine „Mär“: Unter den häufigsten 20 Herkunftsländern nach Deutschland kommender Migranten seien nur zwei Staaten mit einer Bevölkerung mehrheitlich muslimischen Glaubens, die Türkei und Syrien. Auch das Bistum Münster ließ verlauten, in Deutschland drohe „ganz sicher keine Islamisierung“. Zuvor hatte ein Pfarrer aus dem Bistum behauptet, Europa kämpfe bereits seit 1400 Jahren gegen den Islam.

Siehe auch

• „Der Islam gehört zu Deutschland“
• Wikipedia:de:Deutschland schafft sich ab