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Platon, lateinisch Plato, griechischer Philosoph, * Athen 427 v. Chr., † ebenda 348/347 v. Chr.; neben Aristoteles der bedeutendste Gelehrte der Antike; die Beschäftigung mit seinem umfänglichen, hauptsächlich in Form des literarischen Dialoges erhaltenen Werk, dabei v. a. mit der Ideenlehre, hat die Philosophiegeschichte bis heute entscheidend mitgeprägt. Platon entstammte einem adligem Geschlecht, war Sohn des Ariston (* vermutlich um 470/460 v. Chr., † um 424 v. Chr.) und der Periktione (* um 450 v. Chr., † vermutlich nach 365 v. Chr.).

Leben

Der junge Platon beabsichtigte, die politische Laufbahn einzuschlagen, wurde davon jedoch durch die politischen Wirren in Athen abgehalten. Durch Sokrates wurde er zum philosophischen Fragen nach den sittlichen Werten (»Tugenden«) und nach dem einen göttlichen Guten geführt und nachhaltig beeinflusst. Das Gedächtnis an seinen Lehrer bewahrte er in seinen Schriften. Nach dessen Tod (399) soll Platon mit anderen Schülern zu Euklid von Megara, später von Athen aus nach Kyrene und Ägypten gereist sein. Von großer Bedeutung u. a. für die Nachwirkung seiner eigenen Philosophie war die Gründung einer Schule in Athen, der Akademie (zwischen 387 und 385). Als bedeutendster Schüler ist daraus Aristoteles hervorgegangen. Nachfolger Platons nach seinem Tod wurde sein Neffe Speusippos. Platon reiste dreimal nach Sizilien (etwa 388/387; 366/365; 361/360), trat bei seiner ersten Reise mit den Pythagoreern in Unteritalien, besonders Archytas von Tarent, in Verbindung und hat in Syrakus vergeblich versucht, zuerst Dionysios I., später (zusammen mit dessen Schwager Dion) Dionysios II. für das Ideal eines Staates nach philosophisch-sittlichen Grundsätzen zu gewinnen (»7. Brief«). Die letzten Lebensjahre verbrachte Platon in Athen in ununterbrochener Lehrtätigkeit im Kreis seiner Schüler.

Werk – Einordnung und Wirkung

Platons umfangreiches erhaltenes Werk – in der Antike in neun Tetralogien (einschließlich unechter Schriften) geordnet, in dieser Form von Thrasyllos von Mendes (36 n. Chr.) herausgegeben – besteht, abgesehen von der »Apologie« und den Briefen Nummer 6 und 7 (die Briefe 1–5, 8–13 gelten als unecht), aus Dialogen; von einem Vortrag »Über das Gute« sind nur Fragmente erhalten. Chronologisch werden die (sicher echten) Schriften nach inhaltlichen und stilistischen Kriterien meist eingeteilt in: 1) frühe Periode: »Apologie«, »Kriton«, »Ion«, »Laches«, »Lysis«, »Charmides«, »Euthyphron«, »Protagoras«, »Politeia I«; 2) mittlere Periode: »Gorgias«, »Menon«, »Euthydemos«, »Kratylos«, »Hippias I« (»Hippias maior«), »Hippias II« (»Hippias minor«), »Menexenos«, »Symposion« (Das Gastmahl), »Phaidon«, »Politeia« II–X, »Phaidros«; 3) späte Periode: »Theaitetos«, »Parmenides«, »Sophistes«, »Politikos« (Der Staatsmann), »Philebos«, »Timaios«, »Kritias«, »Nomoi« (Die Gesetze). Die »Epinomis« gilt als Werk des Philippos von Opus. Platons Werke werden in der Regel nach der Ausgabe von 1578 zitiert. Seine philosophische Leistung war von größter Auswirkung auf die abendländische Philosophie (Platonismus). Platons Philosophie behandelt erkenntnistheoretische und metaphysisch-ontologische ebenso wie kosmologische, psychologische, ethische und staatstheoretische, weiterhin sprachphilosophische und auch kunsttheoretische und pädagogische Fragen. In fruchtbarer Auseinandersetzung mit der Sophistik überwand er deren Sensualismus und Relativismus hinsichtlich der Realitätserkenntnis und des sittlich Guten. Unter dem Einfluss von Parmenides' Lehre von dem einen wahrhaft Seienden und von Sokrates' Fragen nach dem Wesen des »Allgemeinen«, das den vielen konkreten Fällen eine einheitliche Bedeutung verleihe, begründete Platon mit seiner Ideenlehre die (erst später so bezeichnete) Metaphysik. Die Lehre vom göttlichen Guten, Schönen, Einen verbindet sich bei ihm mit einer religiös getönten Erfahrung der »Schau« der Ideen, auf die er in seiner philosophischen Argumentation hinweist.

Ungeachtet der literarischen Meisterschaft der eigenen Dialoge hat Platon den Wert der Schrift als eines Mediums der Erkenntnisvermittlung gering veranschlagt (»Phaidros« 274 b–278 e, 7. Brief 341 b ff.). Für den Philosophen ist Schreiben »Spiel«, seinen »Ernst« entfaltet er im Bereich des Mündlichen. In der Tat weisen die Dialoge (als eine Art Methode der Reflexion) inhaltlich über sich selbst hinaus. Zudem spricht Aristoteles einmal von »ungeschriebenen Ansichten« (»agrapha dogmata«) Platons (Physik 209 b 14) und referiert v. a. in der »Metaphysik« Theoreme und Begriffe Platons, die sich in den Dialogen nicht finden. Um die Rekonstruktion von Platons mündlicher Prinzipienlehre aus der indirekten Überlieferung bemühte sich (nach wichtigen Vorarbeiten bei Leon Robin (* 1866, † 1947) u. a.) die Tübinger Schule (Hans Joachim Krämer (* 1929), K. Gaiser, Heinz Happ (* 1931)).

Metaphysik und Erkenntnistheorie

Platons Philosophie geht von dem Gegensatz der werdenden, vergehenden und sich niemals gleichbleibenden Welt der Erscheinungen (hiervon sprach Heraklit, später Kratylos) und dem sich gleichbleibenden, wahrhaft Seienden aus. Jene ist sinnlich wahrnehmbar, dieses nur durch die Vernunft erkennbar. Das wahrhaft Seiende bestimmt Platon als »das, was etwas – z. B. das Gerechte – ist«, und fasst dieses als das Allgemeine im Gegensatz zum empirischen Einzelnen und als dessen Form- beziehungsweise Wesens- und Zweckursache – z. B. bezogen auf die vielfältigen Erscheinungsformen des Gerechten – auf. Platon sieht die Ursachen der Erfahrungsdinge nicht mehr wie viele Vorsokratiker in einem (quasi-)materiellen Substrat, sondern in ihrem intelligiblen Urbild (paradeigma), das er Idee (idea, eidos) nennt. Gelegentlich spricht er so, als wären die Ideen, durch eine Kluft (chorismos) getrennt, »jenseits« der Erscheinungswelt. Die Erfahrungsdinge als Abbilder stehen zu den Ideen als Urbildern im Verhältnis der Teilhabe (methexis) und nachstrebenden Nachahmung (mimesis). An mehreren Stellen seines Werkes versucht Platon, den verschiedenen Gegenstandsbereichen entsprechende Erkenntnisstufen zuzuordnen. Dabei unterscheidet er die den Erfahrungsdingen entsprechende (unsichere) Meinung (doxa) von dem die Ideen erfassenden (sicheren) Wissen (episteme); Philosophie versteht er dann als Ideendenken oder Dialektik, deren letztes Ziel die Erkenntnis der Idee des Guten als des obersten Prinzips (arche) bildet (»Politeia« 503 e–541 b).

Menschliches Erkennen schreitet, ausgehend von Sinneserfahrung und Vorstellung, zur Wissenschaft fort. Dieses Fortschreiten fasst Platon – so in der »Politeia« – als einen allmählichen Bildungsprozess und zugleich als einen Läuterungsweg der menschlichen Seele von den Täuschungen zur Wahrheit auf. Diesen Erkenntnisweg verdeutlicht er u. a. in seinem Liniengleichnis (»Politeia« VI, 509 c–511 e): Eine gedachte Linie wird in zwei Abschnitte, die Bereiche des »Sichtbaren« und des »Denkbaren«, unterteilt, die ihrerseits in die Abschnitte der Schatten und der Tiere, Pflanzen, Artefakte einerseits sowie der Voraussetzungen (hypothesis) und Ideen andererseits untergliedert werden. Dem ersten Teil ordnet Platon die Erkenntnisweisen des Vermutens und Glaubens (der Meinung) zu, dem zweiten die Tätigkeiten des Verstandes (dianoia) und der Vernunft (noesis).

In den Dialogen führt Sokrates seine Gesprächspartner durch die Methode von Frage und Antwort und durch seine intellektuelle »Hebammenkunst« (Maieutik) bis an den Punkt der Ausweglosigkeit (Aporie), an dem der Übergang vom nur empirischen Wissen zur Wesenserkenntnis notwendig wird. Den Erkenntnisprozess von der sinnlichen zur Wesenserkenntnis erklärt Platon als Wiedererinnerung (anamnesis; »Menon« 80 d ff., »Phaidon« 72 e ff.) an von der Seele einstmals Gewusstes, weil die Seele aus den sinnlichen Gegebenheiten als solchen keine Wesenserkenntnis schöpfen könne, das Wesen aber bei den Sinneswahrnehmungen immer schon miterfasse. Die Spätdialoge entwickeln Ansätze zu einer Definitionstheorie (»Theaitetos«) und die dialektische Methode der richtigen Begriffseinteilung durch Zusammenschau (synagoge) und Zergliederung (diairesis; in: »Sophistes« 253 b–e, »Politikos« 285 a–b, »Phaidros« 265 d–266 c, »Philebos« 16 c–17 a). Über die Wissenschaft, die im »Theaitetos« als durch Vernunft begründete Erkenntnis definiert wird, stellt Platon als höchste Erkenntnisweise eine intuitive Vernunfteinsicht (noesis), die die höchste (göttliche) Ursache »berührt«.

In den frühen Dialogen diskutiert Platon Ideen nur von ethischen und Relationsbegriffen (Idee des Guten, Gerechten, Gleichen). In der »Politeia« scheint es Ideen von geradezu allen Dingen zu geben (596 a), im Spätwerk (»Parmenides« 130 c–d) wird der Umfang des Ideenreiches problematisiert.

Ein wichtiges Kriterium für die Annahme einer Idee ist, dass ein Allgemeines erkannt werden kann, wobei das »vielseitig Zerstreute zusammenschauend auf eine Idee zurückgeführt« wird. Aufgabe der Philosophie oder Dialektik (»Politeia« VI, 511 a ff.) ist es, die Ideen als Hypothesen für jeden Wissensbereich zu ermitteln. Der Philosoph muss insbesondere zum Ersten, Voraussetzungslosen (anhypotheton), zur Idee des Guten (idea tou agathou) »hinaufsteigen« und dann wieder zum Spezielleren und Einzelnen »hinabsteigen«, um dieses aus dem Höchsten und Ersten in seiner wahren Natur erkennen und begründen zu können. Zu dieser Aufgabe gehört auch, die (analog der Erscheinungswelt bestehende) »Ideengemeinschaft« (»Sophistes« 253 b–e) zu untersuchen, d. h., in welchen Beziehungen die Ideen zueinander stehen und miteinander verflochten sind, was sich in bejahenden und verneinenden Aussagen darstellt. Platon nennt im »Sophistes« (254 d ff.) fünf oberste Ideengattungen: Seiendes, Identisches, Anderes (Verschiedenes), Bewegung und Ruhe, an denen alle anderen Ideen teilhaben. Über diesen fünf Gattungen steht im »Parmenides« schließlich das Eine (im »Symposion« das göttlich Schöne, in der »Politeia« die Idee des Guten), das einmal als mit allen Ideen verbunden, zum anderen als getrennt und »jenseits des Seienden« aufgefasst wird. Das Nichtseiende legt Platon als das Andere aus. Platon hat die Bedeutung jenes höchsten Seienden im Sonnengleichnis (»Politeia« VI, 508 a ff.) beschrieben: Darin stellt er die Idee des Guten in Analogie zur Sonne dar. Wie das Sonnenlicht Ursache für das Sehen des Auges und für das Gesehenwerden wie auch für Werden, Wachstum und Nahrung der sichtbaren Dinge ist, ist in analoger Weise die Idee des Guten Ursache für das Sein und die Erkennbarkeit der Ideen wie für das Erkennen der (als »Auge der Seele« bezeichneten) Vernunft. Eine Zwischenstellung zwischen der sinnlichen Welt und den Ideen nahmen in Platons mündlicher Prinzipientheorie die mathematischen Gegenstände ein. Nach dem Zeugnis der indirekten Überlieferung versuchte Platon, die Ideen auf höhere und einfachere Prinzipien, sogenannte Ideenzahlen, zurückzuführen (die nicht mit den Zahlen im Zwischenbereich zu verwechseln sind). Die zwei umfassendsten Prinzipien alles Wirklichen sind demnach ein materiales, die »unbestimmte Zweiheit« (Unbegrenztes, »Apeiron«), und ein formales, das erste Eine (identisch mit dem Guten).

Psychologie

Platons Psychologie steht unter dem Einfluss seiner Ideenlehre sowie seiner religiösen Überzeugungen, u. a. der orphischen Seelenwanderungslehre (»Phaidon«, »Politeia«). Im »Phaidon« führt Platon Beweise für die Unsterblichkeit der menschlichen Seele u. a. aus ihrer immateriellen Natur, die wiederum aus ihrem immateriellen Erkenntnisobjekt, den Ideen, erschlossen wird (78 c ff.). Für die Zeit des Lebens ist die Seele mit dem Leib vereinigt, dessen Bedürfnisse und Begierden das Streben der Seele nach wahrer Erkenntnis hindern. »Philosophieren« bedeutet daher Streben nach dem Tod, d. h. einer Befreiung von den Affekten des Leibes durch die Hinwendung zum reinen Denken. Im »Phaidros« (245 c–e) definiert Platon die (Welt-)Seele als immaterielle Bewegungsursache, die nicht mehr (wie das Materielle) von anderem bewegt wird, sondern »sich selbst bewegt«, den Kosmos in Gang hält und durchwaltet und – als Individualseele – auch Lebensprinzip des Leibes ist. Platon unterscheidet drei Seelen-»teile« oder -vermögen (»Politeia« IV, 438 d ff.), das »Begehrliche«, das »Muthafte« und das »Vernünftige«, und vergleicht die Seele im »Phaidros« (246 a–247 c) einem geflügelten Wagen mit einem edlen und einem unedlen Pferd und einem Wagenlenker, der zum Ziel des Rennens, dem »überhimmlischen Ort« der Ideen, hinstrebt. Das Gefieder symbolisiert die aufwärtsstrebende Kraft des Eros. Der Dialog »Symposion« schildert den Eros als jene geistige Kraft der Seele, die als ein Mittleres zwischen der Sinnenwelt und den Ideen das göttliche Schöne sucht (»Symposion« 199 c ff.), zunächst aber auf die sinnlichen Erscheinungsformen des Schönen ausgerichtet ist. Deren geistiges Urbild vermag sie nach einem aufsteigenden Läuterungsprozess (auf höchster Stufe in der »plötzlichen« Schau der Idee des Schönen) zu erreichen. Die Seelen gehören zwar nicht dem Ideenreich an, werden aber als Bewegungsursachen angesehen, die die idealen Formen in das sinnliche Materiale übertragen.

Eine Argumentation in »Nomoi« X, die von dem durch die Seele bewegten Materiellen aus die Existenz der Gestirnseelen (Götter) als immaterielle (sich selbst bewegende) Bewegungsprinzipien erschließt, ist später in der Scholastik in den Gottesbeweis aus der Bewegung eingegangen.

Ethik

In einem frühen Stadium setzt sich Platon (noch unter sokratischem Einfluss) mit dem sophistischen Relativismus auseinander und sucht nach allgemein verbindlichen definitorischen Bestimmungen der Tugend (arete), z. B. der Tapferkeit (»Laches«), der Gerechtigkeit (»Gorgias«, »Politeia« I), der Besonnenheit (»Charmides«), der Frömmigkeit (»Euthyphron«). Gegen radikale Sophisten, die das geltende Recht (das den Schwachen vor Unterdrückung schützt) für bloße Konvention erklären und das natürliche Recht in der physischen, triebhaften Natur (als Recht des Stärkeren) begründen, greift Platon die an sich wichtige Unterscheidung von positivem und natürlichem Recht auf, begründet aber Letzteres aus der Vernunftnatur des Menschen. Hiernach ist z. B. das Unrecht leiden besser als das Unrecht tun (»Gorgias« 469 c). Unrecht ist stets die Folge von Unwissenheit: Niemand tut freiwillig Unrecht (intellektuelle Ethik). Das Gemeinsame aller Tugenden, das sie allgemein verbindlich macht, bestimmt Platon als praktische Vernunfterkenntnis. Das gute Leben und die Glückseligkeit (eudaimonia) als Ziel jedes Menschen haben ihre Erfüllung und geistige Voraussetzung in der Erkenntnis der Ideen und der Idee des Guten. Seinen ethischen Intellektualismus mildert Platon u. a. im »Philebos« ab, in dem er das gute Leben als eine »Mischung« aus Vernunfterkenntnis und (geistiger) Lust ansieht (60 d ff.).

Staatstheorie

In seinem staatstheoretischen Hauptwerk »Politeia« (Der Staat) entwickelt Platon einen Idealstaat, den er aus natürlichen Anlagen der Menschen zu verschiedenen Tätigkeiten und zur Arbeitsteilung und durch Vertrag entstehen lässt. Es bilden sich drei Stände, die der Regierenden, der Krieger sowie der Bauern und Handwerker. Sie entsprechen den drei Seelenvermögen des Vernünftigen, des Muthaften und des Begehrlichen im Einzelmenschen und zeichnen sich in den gemäßigten Tugenden der Weisheit, der Tapferkeit beziehungsweise der Besonnenheit aus. Die Gerechtigkeit im Staat und Einzelmenschen ergibt sich aus dem harmonischen Zusammenwirken der drei Tugenden, d. h. der drei Seelenvermögen im Einzelmenschen ebenso wie der drei Stände im Staat. Gerechtigkeit besteht darin, dass jeder Teil seine spezifische Aufgabe erfüllt, d. h. »das Seinige tut«. – Entscheidend für den idealen Staat ist die Ausrichtung der Regierenden, der weisen Philosophenkönige (V, 473 c–d), an der Idee des Guten. Diesem Zweck dient ihr enzyklopädischer Ausbildungsweg, der mit dem Studium der Philosophie und der Betrachtung der Ideen abschließt. Dabei geht es um eine »Umwendung« (periagoge, gleichsam um eine Revolutionierung) des Lebens von einer materiellen zu einer ideellen, von einer triebhaften zu einer vernunftbestimmten Denk- und Lebensweise. Das Höhlengleichnis (»Politeia« VII, 514 a ff.) schildert dieses staatliche Erziehungsideal am Beispiel von Gefangenen in einer Höhle, aus der sie stufenweise zum Tageslicht (der Erkenntnis) umgewendet und hinaufgeführt werden. Dieser zentrale Text skizziert die Situation des gewöhnlichen Menschen, der in den groben Vorurteilen der sinnlichen Realität gefangen ist, und beschreibt seine mögliche Befreiung mittels der Philosophie. Die Gefangenen in der Höhle nehmen lediglich die an die Höhlenwand projizierten Schatten von künstlichen Gegenständen wahr; diese halten sie irrigerweise für die gesamte Realität. Würde jemand von den Fesseln befreit und hätte die Möglichkeit, den illusorischen Charakter dieser Projektionen zu durchschauen, so besäße er die Möglichkeit, die volle Wirklichkeit zu begreifen, indem er aus der Höhle aufsteigt und die obere Realität zu erfassen lernt. Platon liefert eine eigene Deutung des Gleichnisses, die er auf das Liniengleichnis und den dortigen Stufenbau des Kosmos bezieht. An erster Stelle steht demnach die intelligible Realität, an deren Spitze die Idee des Guten zu situieren ist. – Der Idealstaat zeichnet sich auch durch die Aufhebung des Privateigentums und durch Frauen- und Kindergemeinschaft bei den Kriegern und den Regierenden aus. – Einen wichtigen Teil der »Politeia« bildet die Lehre von den Verfassungen und den Ursachen, aus denen die guten in schlechte entarten – von der Monarchie beziehungsweise Aristokratie über Timokratie, Oligarchie, Demokratie bis hin zur Tyrannis (»Politeia« VIII, 543 a–576 b).

Kunsttheorie

Platon schätzt die charakterformende Kraft von Gesang, Instrumentenspiel und Tanz sowie der Dichtung in ihren verschiedenen Formen hoch ein. Die Dichtung versteht er als »nachahmende« Kunst, die – da sie nur die Sinnenwelt nachzuahmen vermag – hinter der Wahrheit der Ideenwelt, die die Philosophie erfasst, weit zurückbleibt. In der »Politeia« lässt er keine Nachahmung sittlich schlechter Handlungen in Theaterstücken zu und übt Kritik an Epen und Mythen von unsittlichem Inhalt. – Die sophistische Redekunst verwirft er als machtpolitisches Mittel, insofern sie nur einen Schein von Wahrheit (»Scheinwissen«) erzeugt und den Hörern schmeicheln will. Demgegenüber erwägt er (u. a. im »Phaidros«) die Möglichkeit einer philosophisch (psychologisch) begründeten dialektischen Rhetorik. Kosmologie

Der Dialog »Timaios« erklärt die Entstehung des sichtbaren Kosmos aus zwei Hauptprinzipien, aus dem zweckhaften Guten und dem stofflich Notwendigen. Die erste gestaltende Ursache – in mythischer Rede: der göttlich gute Demiurg (Werkmeister) – bringt den sichtbaren Kosmos als ein Lebewesen mit Kosmosvernunft und -seele (Weltseele) aus dem schon bereitliegenden Stoff nach einem ebenfalls schon bestehenden Vorbild des Kosmos (Ideenwelt) hervor, das Platon als vollendetstes Lebewesen bezeichnet, d. h. als Inbegriff geistigen Lebens. Eine mögliche Interpretation ist die Gleichsetzung von Vorbild und Demiurg mit der Idee des Guten als oberster Zweckursache. Eine wichtige Rolle spielt die Analogie zwischen dem Menschen als Mikrokosmos und der Welt als Makrokosmos; in der ursächlichen Erklärung der entstehenden Dinge bezeichnet Platon den Stoff als das »aufnehmende« Prinzip (chora, »Raum«), vergleichbar einer »Amme« und »Mutter«. Die ersten geformten Stoffelemente fasst er als stereometrische Körper auf, die aus regelmäßigen Vielecken gebildet sind: Das Feuer als das beweglichste Element besteht aus Tetraedern, die Erde als das schwerstbewegliche aus Würfeln, der Luft wird das Oktaeder, dem Wasser das Ikosaeder zugewiesen. Der zweite Teil des Dialogs enthält sinnesphysiologische Erklärungen zum menschlichen Leib und seinen Organen.

Werke

Weiterführende Literatur

Nachschlagewerke:

F. Ast: Lexicon Platonicum sive vocum Platonicorum index, 3 Bde. (1835–38; Nachdruck 1969);

H. Perls: Lexikon der platonischen Begriffe (1973);

O. Gigon u. L. Zimmermann: Platon. Lexikon der Namen u. Begriffe (1976);

L. Brandwood: A word index to Plato (Leeds 1976);

Platon-Lexikon. Begriffswörterbuch zu Platon und der platonischen Tradition, hg. v. C. Schäfer (22013).

A. E. Taylor: Plato. The man and his work (31929; Nachdruck 71986);

U. v. Wilamowitz-Moellendorff: Platon, 2 Bde. (4–51959–69);

P. Friedländer: Platon, 3 Bde. (31964–75);

E. Hoffmann: Platon (Neuausgabe 1967);

J. Derbolav: Von den Bedingungen gerechter Herrschaft. Studien zu Platon u. Aristoteles (1980);

H. Thesleff: Studies in Platonic chronology (Helsinki 1982);

E. Heitsch: Wege zu Platon. Beiträge zum Verständnis seines Argumentierens (1992);

J. N. Findlay: Plato u. der Platonismus. Eine Einführung (aus dem Amerikanischen, 21994);

L. Robin: Platon (Neuausgabe 1997);

H.-G. Gadamer: Platos dialektische Ethik (Neuausgabe 42000);

G. Reale: Zu einer neuen Interpretation Platons (aus dem Italienischen, 22000);

H.-G. Gadamer: Wege zu Plato (Neuausgabe 2001);

M. Suhr: Platon (2001);

B. Zehnpfennig: Platon zur Einführung (22001);

K. Bormann: Platon (42003);

G. Böhme: Platons theoretische Philosophie (Neuausgabe 2004);

N. Pappas: Routledge philosophy guidebook to Plato and the Republic (22004);

T. A. Szlezák: Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie, 2 Bde. (Neuausgabe 2004);

M. Erler: Platon (2006);

Arbogast Schmitt: Die Moderne und Platon. Zwei Grundformen europäischer Rationalität (22008);

Platon verstehen. Themen u. Perspektiven, hg. v. M. van Ackeren (Neuauflage 2011).

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