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Schlag|anfall, Gehirnschlag, Hirnschlag, Apoplexie, apoplektischer Insult, der plötzliche Ausfall von Hirnfunktionen (z. B. halbseitige Lähmung, Sehstörung) aufgrund einer zu geringen Durchblutung des Hirngewebes durch den Verschluss der das Gehirn versorgenden Schlagadern (ischämischer Schlaganfall, rd. 75–80 % der Fälle), durch eine Blutung in das Gehirngewebe (Gehirnblutung, rd. 20 %) oder eine Blutung in die Hirnhaut (Subarachnoidalblutung, rd. 5 %). Geschädigt werden entweder das Parenchym, das heißt die Nervenzellen eines Gebietes, das für eine bestimmte Funktion zuständig ist (z. B. motorische Rinde, Sehrinde, Sprachzentrum), oder dessen Verbindungen (z. B. Pyramidenbahn, Sehbahn).

Ursachen[]

Der Verschluss einer Hirnbasisarterie oder ihrer Äste wird durch ein fortgespültes Blutgerinnsel (Embolie) aus den Halsarterien oder dem Herzen verursacht. Bei etwa einem Drittel aller Schlaganfälle wird nur eine der kleinen Markarterien verschlossen, meist nicht durch Embolien, sondern durch Gefäßwandverquellung infolge lang anhaltenden erhöhten Blutdrucks. Hierbei ist der Infarkt, entsprechend dem wesentlich kleineren von dieser Arterie versorgten Gebiet, auch kleiner (zerebrale Mikroangiopathie).

Die Minderdurchblutung führt zu einer Schädigung der Zellen (Ischämie), die schrittweise abläuft und von der Menge des Restblutflusses, der über Verbindungen (Kollateralen) von nicht verschlossenen, umgebenden Gefäßen aufrechterhalten wird, abhängig ist. Die Größe des späteren Infarktes nimmt mit zunehmender Dauer des Verschlusses rasch zu, sodass eine frühe Behandlung besonders gute Erfolgschancen hat; beim Verschluss einer großen Arterie ist manchmal noch über einige Stunden ein Teil des Gewebes zu retten. Die ischämische Schädigung setzt eine Reihe von Prozessen in Gang, die über Tage ablaufen und nach fast einer Woche in den eigentlichen Infarkt mit Gewebeuntergang münden.

Häufigkeit[]

Der Schlaganfall tritt häufig auf; die Inzidenz (Anzahl der Neuerkrankungen) beträgt etwa 250 000 pro Jahr für Deutschland und wird ab dem 15. Lebensjahr mit jedem Lebensjahrzehnt mehr als verdoppelt. Hauptsächliche Risikofaktoren sind neben dem Alter erhöhter Blutdruck, Rauchen, Herzkrankheiten (besonders Vorhofflimmern), Diabetes mellitus, Bewegungsarmut, Übergewicht, Alkoholexzesse und wahrscheinlich erhöhte Blutfette.

Symptome[]

Die Symptome, die beim Schlaganfall auftreten, sind abhängig von der Hirnregion, die zu wenig Blut erhält. Typische Krankheitszeichen sind z. B. die Halbseitenlähmung (Pyramidenbahnlähmung), die Arm, Bein und oft auch das Gesicht (hängender Mundwinkel) einer Seite betrifft, eine plötzliche (oft vorübergehende) Sehstörung auf einem Auge (Amaurosis fugax) oder einer Hälfte des Gesichtsfeldes (z. B. die rechte Seite auf beiden Augen), eine Sprach- oder Sprechstörung (Aphasie, Dysarthrie) oder auch ein epileptischer Anfall. Rasch vorbeigehende Symptome (transiente ischämische Attacke) sind genauso ernst zu nehmen wie ein kompletter Schlaganfall. Beide sind immer ein Notfall, der schnellstmöglich im Krankenhaus behandelt werden muss.

Therapie[]

Der Betroffene sollte so schnell wie möglich vom Notarzt in ein Krankenhaus mit spezieller Schlaganfallstation (»Stroke-Unit«) nach international vereinbarten Standards gebracht werden. Nur innerhalb der ersten Stunden können medizinische Maßnahmen, die zur Wiedereröffnung eines verschlossenen Hirngefäßes führen, auch das betroffene Hirngewebe retten. Der Patient wird zunächst notfallmedizinisch versorgt, wobei v. a. Atmung, Kreislauf und Stoffwechsel überwacht werden müssen. Bei Hirnblutungen wird geprüft, ob eine neurochirurgische Operation die Situation verbessern kann. Liegt keine Hirnblutung vor, sondern ein Verschluss eines großen Hirngefäßes durch einen Thrombus, wird versucht, das Blutgerinnsel medikamentös aufzulösen (sog. Lysetherapie, z. B. mit Plasminogenaktivator, Thrombolyse) oder mit anderen Verfahren (z. B. Katheter bei der Neurothrombektomie, Thrombektomie) ) zu entfernen. Zusätzlich wird nach einem Gefäßverschluss meist eine Langzeitbehandlung mit sehr niedrigen Dosierungen von z. B. Acetylsalicylsäure als Maßnahme zur Verbesserung der Blutfließeigenschaften eingeleitet; bei Blutgerinnseln im Herzvorhof werden stattdessen meist gerinnungshemmende Medikamente (z. B. Marcumar®) eingesetzt. Bei einer hochgradigen Verengung der Halsschlagader kann evtl. eine operative Korrektur dieser Stenose einen weiteren Schlaganfall verhindern.

Nach Stabilisierung der akuten Situation erfolgt die weitere Therapie entweder auf einer Normalstation oder in einer speziellen Rehabilitationseinrichtung zur Unterstützung der natürlichen Heilungsvorgänge und zur Verhinderung von schweren Folgeschäden. Wichtig sind der frühzeitige Beginn dieser Maßnahmen und deren konsequente Durchführung. Dazu gehören Physiotherapie zur Wiederherstellung von Beweglichkeit und Koordination, Logopädie und Ergotherapie. Ziel aller Maßnahmen ist die größtmögliche Selbstständigkeit des Betroffenen. Eine große Rolle spielt dabei die adäquate Versorgung mit Hilfsmitteln wie z. B. Rollstuhl, Anziehhilfen und Esshilfen, aber, wo sinnvoll, auch der behindertengerechte Umbau der Wohnung sowie die Hilfestellung bei der Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes und die Versorgung mit einem entsprechenden Fahrzeug. Die langfristige Therapie zielt darauf ab, weitere Schlaganfälle zu verhindern. Neben der medikamentösen Behandlung ist es deshalb wichtig, vorhandene Risikofaktoren optimal zu behandeln bzw. auszuschalten. Oft wird ein Jahr benötigt, um wieder vollständig im Beruf tätig zu sein, und auch noch nach vielen Jahren ist durch gezieltes Training eine Verbesserung der gestörten Funktionen zu erzielen.

Eine depressive Verstimmung bis hin zu schwerer Depression ist eine häufige Komplikation nach einem Schlaganfall, die fast jeden zweiten Patienten betrifft. Sie eine Reaktion auf die schwere Erkrankung und die mit den Lähmungserscheinungen und Sprachstörungen empfundene Hilflosigkeit. Meist sind eine Behandlung mit Antidepressiva und eine begleitende Psychotherapie erforderlich.

Werke[]

Weiterführende Literatur[]

M. Hessinger: Schlaganfall: Erkennen – Rehabilitation – Vorbeugung (2012);

B. Rieger: Schlaganfall: Vorbeugen und ganzheitlich behandeln (2013);

A. Cassier-Woidasky u. a.: Pflege von Patienten mit Schlaganfall: Von der Stroke Unit bis zur Rehabilitation (22014);

G. J. Jungehülsing u. a.: Komplikationen u. Folgeerkrankungen nach Schlaganfall (2015).

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