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Troja, Troia, bei Homer zumeist Ilios, später griechisch Ilion, lateinisch Ilium, in der Antike der Hauptort der Landschaft Troas, bei Homer Schauplatz des Trojanischen Krieges.

Die Stätte Troja wurde nach geografischen Angaben Homers bereits 1863 von dem Engländer Frank Calvert (* 1828, † 1908) und später von H. Schliemann an der Nordwestspitze Kleinasiens, Türkei, im rd. 20 m hohen Ruinenhügel von Hisarlık (Hissarlik) vermutet. Der Hügel von Hisarlık (türkisch »kleiner Berg«) liegt auf einem Kalksteinplateau, das von den Flussläufen des Skamander (heute Sarmısaklı) und des Simoeis (heute Dümrek Çayı) begrenzt wird und rund 4,5 km von den Dardanellen entfernt ist.

Mit den Ausgrabungen des Hügels begann Schliemann 1870; sie wurden 1893/94 und 1924 von seinem früheren Mitarbeiter W. Dörpfeld und 1932–38 von dem Amerikaner C. W. Blegen fortgesetzt. 1988 nahm der Tübinger Archäologe M. Korfmann mit einem internationalen Team die Grabungen wieder auf, nachdem er bereits 1982–87 die Beşikbucht 7 km südwestlich des Burghügels erforscht hatte. Ziel der Grabungen war die Überprüfung der älteren Grabungsergebnisse mithilfe moderner Untersuchungs- und Dokumentationsmethoden, die Erforschung der Umgebung von Troja und die Sicherung der u. a. durch Raubgräber gefährdeten Stätte (Grabungspublikation in der Zeitschrift »Studia Troica«, 1991 ff.). 2006–12 hatte mit dem Österreicher Ernst Pernicka (* 1950; Universität Tübingen) ein Spezialist für Archäometrie die Grabungsleitung (Ziele: u. a. weitere Untersuchung der bronzezeitlichen Befestigungsanlagen, touristische Erschließung der Grabungsstätte). Seit 2013 ist der türkische Archäologe Rüstem Aslan (* 1965) Leiter der Ausgrabungen. – Seit 1996 »Historischer Nationalpark Troja«; seit 1998 UNESCO-Weltkulturerbe (Troja [Welterbe]).

Die Beşikbucht griff im Altertum erheblich tiefer ins Land ein und diente offenbar als Hafen für die Handelsschiffe, die hier auf günstige Winde für die Durchfahrt durch die Dardanellen warteten. Auf ihrer Kontrolle beruhte vermutlich der Reichtum der Stadt. Das an der Bucht vorspringende Kap Beşik-Yassıtepe besaß eine bronzezeitliche Siedlung (erste Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr.), in 600 m Entfernung fanden sich Reste einer noch älteren, spätneolithischen Siedlung (an dieser Stelle wurde in hellenistischer Zeit ein Grabhügel für Achill aufgeschüttet). Auf dem Beşik-Yassıtepe lag auch eine archaische Befestigung (6. Jahrhundert v. Chr.), Jahrhunderte später entstanden hier hellenistische und byzantinische Bauten. 200 m südöstlich der bronzezeitlichen Siedlung, nahe dem Hügel Beşiktepe, lag ein Friedhof des späten 13. Jahrhunderts v. Chr., in den ausgeraubten Gräbern wurden neben lokaler Ware mykenische Keramik, Schmuck und Siegel gefunden (keine Waffen). Die Unterschiedlichkeit der Bestattungen (u. a. Pithos- und Kistengräber, zwei Grabbauten aus Stein) weist auf eine sozial differenzierte Bevölkerung hin.

Archäologische Befunde[]

Beim Burgberg sind die neun von Schliemann und Dörpfeld ermittelten Schichten durch Unterteilungen von C. W. Blegen auf insgesamt 46 gegeneinander abgesetzte Siedlungshorizonte erweitert worden. Unter der Schicht von Troja I entdeckte Korfmann Holzkohlenreste, die er in die Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. datierte (Periode »älter als Troja I«). Die dörpfeldschen Schichten I–V gehören der ägäisch-anatolischen Frühbronzezeit an, die zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. endete. Die erste, auf dem gewachsenen Fels angelegte Burganlage (Troja I) besaß bereits megaronartige Langhäuser, hatte eine Ringmauer (90 m Durchmesser) und mindestens ein Tor (im Süden). Sie umfasste insgesamt 14 Bauphasen (um 2900–2500 v. Chr.). Die Innenbebauung weist auf einen eher kleinstädtisch-dörflichen Charakter hin. Die folgende Schicht Troja II, in etwa acht Schichten untergliedert, ist eine erheblich umfangreichere Anlage (knapp 9 000 m2) mit größeren Megara, stärkeren Mauern und Toren, die sich bereits zu einem Herrschersitz entwickelt hatte. Um 2300/2200 v. Chr. fiel diese Burg einem Brand zum Opfer, vermutlich durch einen feindlichen Angriff ausgelöst, da die Einwohner ihren wertvollen Besitz (Gold, Silber, Bronze) versteckt hatten. Die Schatzfunde, von denen Schliemann den größten Teil als »Schatz des Priamos«, des sagenhaften letzten Königs von Troja, gedeutet hat, sprechen für intensive Handelsverbindungen, denn die Rohmetalle wie Gold, Silber, Kupfer und Zinn kommen in der Troasebene nicht vor (der seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen geglaubte »Schatz des Priamos« befindet sich heute im Moskauer Puschkin-Museum). Die frühbronzezeitliche Keramik bestand in Schicht I fast durchweg aus handgemachter monochromer Töpferware, erst um die Mitte des 3. Jt. v. Chr. tritt daneben auch auf der Drehscheibe gefertigte Luxuskeramik auf. Die auf die Zerstörung von Troja II folgenden Städte Troja III–V (etwa 2300/2200 bis 1800 v. Chr.) scheinen eher dicht bebaute Siedlungen als Fürstenresidenzen gewesen zu sein.

Um 1800 v. Chr. (mittlere Bronzezeit) entstand Troja VI, eine fürstliche Burg und reine Zitadelle. Die in Quadertechnik erbaute, 4 bis 5 m dicke Mauer umschloss nun ein Areal von etwa 200 m × 150 m. Von der Innenbebauung auf ringförmigen Terrassen sind nur größere Gebäude in unmittelbarer Mauernähe freigelegt worden, da der obere Teil des Hügels durch Planierarbeiten in römischer Zeit abgetragen wurde. Bei den Tübinger Grabungen wurden 1992 Teile der Unterstadt freigelegt, die sich im weiten Bogen nach Süden hin an die Burgmauer anschloss und mit Wall und Graben befestigt war. Bei weiteren Grabungen im Jahr 2009 konnten Pernicka und Kollegen einen über 900 Meter langen Graben freilegen, der die Stadt umgab. Der Fund deutet daraufhin, das Troja VI rund 30 Hektar umfasst haben muss. Charakteristisch für Troja VI ist eine auf der Scheibe gedrehte, meist grautonige, einfarbige Keramik, die in ähnlicher Weise an der Westküste Kleinasiens begegnet und Verwandtschaft zur minyschen Keramik der 1. Hälfte des 2. Jt. v. Chr. aufweist. Die Bewohner von Troja VI unterhielten intensive Handelsbeziehungen zum mykenischen Kulturbereich, wie Funde mykenischer Keramik des 14. und 13. Jahrhunderts v. Chr. zeigen. Beziehungen zu Inneranatolien, wo das Hethiterreich die beherrschende Macht war, deutet der Fund eines Siegels mit hethitischen Schriftzeichen an. In der Endphase von Troja VI (13. Jahrhundert v. Chr.) bestand nahe dem Beşiktepe bei der Beşikbucht der von Korfmann untersuchte Friedhof. Etwa 400 m südlich der Burg wurden 1993 Reste einer Verteidigungsanlage freigelegt. Pernicka fand 2009 in der Nähe von Überresten eines Stadttores zwei weitere Gräber aus der späten Bronzezeit.

Nach der Zerstörung von Troja VI in der späten Bronzezeit (um 1250 v. Chr.), wahrscheinlich durch ein Erdbeben, baute man die Burg wieder auf (Troja VII a). In ihrem Inneren befanden sich nun keine großen, palastartigen Gebäude mehr, sondern eine sehr dichte Verbauung mit kleineren Häusern. Sonst änderte sich die Kultur nicht. Troja VII a wurde nach 1200 v. Chr., wohl im Zuge kriegerischer Ereignisse, zerstört. Danach gab es zwei kleine, kurzlebige Nachfolgesiedlungen. Sie zeigen keine kriegerischen Einwirkungen. Die mit Buckeln verzierte Keramik von Troja VII b (um 1100 v. Chr.) belegt Verbindungen von Troja nach Südosteuropa. Im 10. Jahrhundert v. Chr. verödete der Ort.

Erst im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde der Hügel unter dem Namen Ilion in nennenswertem Umfang wieder besiedelt; die Periode Troja VIII endet 85 v. Chr., gleichzeitig beginnt die Periode der römischen Besetzung (Troja IX). Für den späthellenistischen Athenetempel wurde eine Terrassierung vorgenommen, wobei die Kuppe von Troja VI abgetragen wurde. Von Alexander dem Großen und den Diadochen gefördert, gewann der Ort einige Bedeutung, Augustus gründete die römische Stadt (Ilium), die südlich unterhalb der Akropolis angelegt wurde (und Siedlungsbezirke von Periode VI überlagert); freigelegt wurden u. a. Straßen, Hausgrundrisse, ein Buleuterion und ein Odeion sowie im Nordosten Teile des großen Theaters, ferner ein Heiligtum mit zwei Tempeln (archaische bis römische Zeit). Die neuen Grabungen auf dem Burgberg betreffen auch die Grabungsstellen Schliemanns (der zugeschüttete »Schliemann-Graben«, den dieser durch den Burgberg schnitt, wurde wieder freigelegt). Mit geophysikalischen Prospektionsmethoden konnten neue Erkenntnisse zur Unterstadt gewonnen werden (bronzezeitliche Verteidigungsgräben, griechisch-römisches Straßennetz).

Bewertung und historische Einordung[]

Archäologisch sind bislang in mehreren Schichten des Hügels Zerstörungen nachgewiesen, als deren Ursachen Brände, Erdbeben, aber auch Kriege denkbar sind. Schliemann vermutete die legendären kriegerischen Ereignisse aufgrund der reichen Gold- und Silberschätze in der Siedlungsschicht II, Dörpfeld in Periode VI. Die amerikanischen Ausgräber unter Blegen nahmen an, dass die Brandzerstörung, die kurz nach 1200 Troja VII a beschloss, Zeugnis der Auseinandersetzung zwischen mykenischen Griechen und Trojanern gewesen sei. Dies bereitet insofern Schwierigkeiten, als die mykenischen Paläste ungefähr zur gleichen Zeit selbst in Schutt und Asche sanken. Ein großer Kriegszug verbündeter mykenischer Griechen, wie ihn die Überlieferung seit Homer voraussetzt, wäre zu dieser Zeit gewiss nicht mehr möglich gewesen, wohl aber ein kleineres Unternehmen, das dann vielleicht in der späteren epischen Überlieferung in mythischer Weise überhöht worden wäre. Auch Griechen und Römer sahen in diesem Hügel die Stätte der von Homer beschriebenen Stadt Ilios oder Troia. Der Burghügel selbst diente in römischer (z. T. auch schon in hellenistischer) Zeit nicht mehr zu Wohnzwecken, sondern war Verehrungsstätte für die Göttin Athene und für die Helden des Trojanischen Krieges. Troja war zum Erinnerungsort geworden, der von prominenten Römern, u. a. den Kaisern Hadrian und Caracalla, besucht wurde, die hier der Urväter des römischen Volkes (Mythos um den Trojaner Aeneas) und der großen Heroen der Griechen gedachten.

In der griechischen Mythologie diente das hölzerne Pferd als Versteck für Soldaten. Die Soldaten öffneten nachts die Stadtmauern Trojas von innen und ließen das griechische Heer ein. Mit dieser List gewannen die Griechen den Trojanischen Krieg.

Heute reichen die Auffassungen über die historische Bedeutung des Ortes von äußerster Skepsis bis zur Überzeugung, dass hier (besonders in den Schichten Troja VI und VII a) der Schauplatz von Homers »Ilias« zu suchen sei. In der Diskussion steht die Bewertung der vorliegenden archäologischen Ergebnisse und Rekonstruktionshypothesen, wie sie besonders in der Ausstellung »Troja – Traum und Wirklichkeit« (2001) präsentiert wurden (u. a. durch Holzmodelle und computergestützte 3-D-Modelle), v. a. die Frage nach Größe, städtischem Charakter und Bedeutung (etwa als Handelsmetropole) des antiken Troja, des Weiteren die Gleichsetzung des spätbronzezeitlichen Troja (Schichten VI und VII a) mit dem in hethitischen Quellen genannten Land Wilusa und von dessen gleichnamiger Hauptstadt mit dem homerischen Ilios (ursprüngliche Form Wilios).

Diskutiert wird auch die Frage, ob den Dichter Homer authentische Nachrichten aus der späten Bronzezeit erreicht haben können, unter Überbrückung der schriftlosen dunklen Jahrhunderte, die zwischen dem Ende der mykenischen Kultur (um 1200) und seiner eigenen Zeit (8. Jahrhundert v. Chr.) lagen, oder ob sich in der »Ilias« nur überlieferte Mythen ohne reale historische Substanz niedergeschlagen haben. In diesem Zusammenhang wird auf die mündliche griechische Sängerdichtung (Oral Poetry) und auf ihr Ausdrucksmittel, den Hexameter, verwiesen. Der epische Gesang könne gewisse Erinnerungen an weit zurückliegende Ereignisse bewahrt haben, auch wenn die »Ilias« kein Geschichtsbuch, sondern dramatische Fiktion sei.

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