Encyclopædia Wiki
Advertisement

Völkerwanderung, die Züge meist germanischer Stämme oder Stammesteile aus ihren Ursprungs- beziehungsweise späteren Siedlungsgebieten nach Süd- und Westeuropa, die ihren Höhepunkt vom 4. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. fanden und zu Reichsbildungen auf dem Boden des auseinanderbrechenden Römischen Reiches führten.

Frühe germanische Wanderungen gab es bereits vor der Zeitenwende (z. B. Bastarnen im 3. Jahrhundert v. Chr. nach Südosteuropa, Kimbern und Teutonen im 2. Jahrhundert v. Chr. in das Römische Reich). Bedeutender waren im 2./3. Jahrhundert n. Chr. die Wanderungen der Goten, Gepiden und Wandalen nach Südrussland und in die Karpaten sowie die Vorstöße von Markomannen, Alemannen und Franken über Donau und Rhein, die um 260 zum Fall des Limes führten. Im 4. Jahrhundert wurden zunehmend fränkische Söldner in Gallien angesiedelt (Föderaten). image/jpegwissenmedia, Gütersloh

Der Einfall der Hunnen nach Südrussland 375, gewöhnlich als Beginn der Völkerwanderung bezeichnet, bewirkte erst in den folgenden Jahrzehnten nach und nach die Abwanderung auch geschlossener Volksstämme, von denen sich einige zu »Wanderbünden« zusammentaten (406 Wandalen, Alanen, Sweben). Die Masse der Ostgoten kam erst nach Attilas Tod (453) nach Ungarn, 488 nach Italien. Westgoten zogen 401 nach Italien, später nach Südfrankreich (Tolosanisches Reich) und Spanien.

Die ständige Einwanderung von Franken in Gallien ab 350 erleichterte die Gründung und Ausbreitung des Frankenreiches unter Childerich I. und Chlodwig I. im 5./6. Jahrhundert Ab dem frühen 5. Jahrhundert gelangten Stammesteile der Sachsen, Angeln und Jüten nach Britannien und gründeten dort eigene Königreiche. Mit dem Zug der Langobarden 568 nach Italien fand die germanische Völkerwanderung einen vorläufigen Abschluss. Vom 8. bis 10. Jahrhundert klangen die Völkerwanderungen in Europa mit den Wikingerzügen aus.

Die germanische Völkerwanderung war kein einheitlicher Vorgang, sondern die Summe von Bevölkerungsbewegungen unterschiedlicher Zeitstellung und Ursachen. So bewirkte u. a. die Überlagerung der Stämme an Oder und Weichsel durch nordgermanische Traditionsgruppen unter aristokratischer Führung einen sozialen Wandel (neue Stammesbildung). Dieser und die Verschlechterung der Wirtschaftslage mögen u. a. zu Vorstößen in südlicher Richtung geführt haben. Außerdem zog die römische Welt mit ihrer höheren Kultur und ihren besseren Lebensbedingungen die Germanen stets aufs Neue an. Die spätere Bildung der Großstämme hat in der Völkerwanderung ihre Wurzeln.

Zu den Ergebnissen der germanischen Völkerwanderung gehören die tief greifenden Bevölkerungs-Umgruppierungen in ganz Europa, die mitverantwortlich sind für das Ende des Römischen Reiches. Insgesamt ergab sich dabei eine West-Verlagerung der Germanen und der nachdrängenden Slawen. Neben dem spanischen Westgotenreich war nur den Staatsgründungen der Franken, Angelsachsen und Langobarden auf ehemaligem Reichsgebiet eine längere Lebensdauer beschieden. Die dort erfolgte Tradierung spätantiker Zivilisation prägte wesentlich die abendländische Kultur des frühen Mittelalters.

Werke[]

Weiterführende Literatur[]

H.-J. Diesner: Die Völkerwanderung (21981);

J. Martin: Spätantike und Völkerwanderung (42001);

M. Todd: Die Zeit der Völkerwanderung (aus dem Englischen, 2002);

M. Maczyńska: Die Völkerwanderung. Geschichte einer ruhelosen Epoche im 4. u. 5. Jahrhundert (Neuausgabe 2004);

W. Pohl: Die Völkerwanderung. Eroberung u. Integration (22005);

Die Völkerwanderung. Europa zwischen Antike und Mittelalter, hg. v. M. Knaut (2005);

K. Rosen: Die Völkerwanderung (32006);

Die Germanen in der Völkerwanderungszeit. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Jahre 453 n. Chr., hg. u. übers. v. H.-W. Goetz (22013).

Advertisement